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Öko-Diesel aus Frittenfett: Was man über HVO100 wissen sollte

Öko-Diesel aus Pflanzenöl

Grüner Kraftstoff HVO100: Jetzt kriegt der Diesel sein Fett ab!

Designer-Kraftstoff: Das synthetisch erzeugte HVO100 könnte dazu beitragen, den immer noch hohen Diesel-Bestand umweltfreundlich zu betreiben.

Designer-Kraftstoff: Das synthetisch erzeugte HVO100 könnte dazu beitragen, den immer noch hohen Diesel-Bestand umweltfreundlich zu betreiben. Getty Images/iStockphoto

Was ist HVO100?

HVO100 gehört zu den sogenannten paraffinischen Dieselkraftstoffen, deren Oberbegriff XTL - X-To-Liquid - lautet. Das bedeutet, dass ganz unterschiedliche Ausgangsstoffe („X“) in einen flüssigen Energieträger umgewandelt werden. Pflanzen wie Raps oder Gerste können ebenso der Ursprung sein wie Gülle, Speiseabfälle, Klärschlamm, Erdgas oder Kohle. Speziell HVO100 entsteht auf der Basis von hydrierten Pflanzenölen, bei denen es sich überwiegend um Abfallprodukte wie Altspeiseöl (Frittierfett etwa) oder tierische Fette handelt. Zur Begriffserklärung: HVO steht für Hydrotreated Vegetable Oils (wasserstoffbehandelte Pflanzenöle), 100 heißt, dass man es mit HVO in hundertprozentiger Reinform zu tun hat. Auch die Bezeichnung C.A.R.E wird verwendet. Nach längerem Ringen hat das Bundeskabinett nun den Weg für HVO100 an deutsche Tankstellen freigemacht.

Der Bio-Kraftstoff kann fossilem Diesel aber auch zugesetzt werden. Die erlaubte Beimischungsquote wurde jetzt von sieben auf zehn Prozent erhöht (Diesel B10).

Wie wird HVO 100 hergestellt?

Mithilfe von Wasserstoff (Hydrierung) werden die gereinigten Pflanzenöle in Kohlenwasserstoffe umgewandelt und so "in ihren Eigenschaften an fossile Kraftstoffe, insbesondere Diesel, angepasst", wie der ADAC erklärt.

Wo liegt der Unterschied zu E-Fuels?

E-Fuels haben keinen biogenen Ursprung und entstehen auf anderem Wege: Zunächst wird Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Anschließend erfolgt eine Anreicherung des Wasserstoffs mit Kohlendioxid (CO2). Am Ende der Produktion stehen synthetische Kraftstoffe wie Benzin, Diesel oder Kerosin.

Warum ist HVO100 klimafreundlich?

Er ist ein nichtfossiler Synthetik-Kraftstoff aus erneuerbaren Rohstoffen. Zwar emittieren auch HVO100-betankte Fahrzeuge CO2. Doch weil die Grundstoffe des Bio-Diesels pflanzlicher Natur sind, ergibt sich bilanziell nahezu Klimaneutralität: Das bei der Kraftstoff-Verbrennung im Motor entstehende Kohlendioxid haben die Pflanzen zuvor, während ihres Wachstums, der Atmosphäre entzogen und eingelagert. Ein Rest an CO2-Belastung ist auf Faktoren wie Raffinationsprozess und Transport zurückzuführen. Eine wirklich reine Öko-Weste hat HVO100 allerdings nur dann, wenn bei der Herstellung ausschließlich "grüner" Strom eingesetzt wird.

Nach Ansicht des Bundesverkehrsministeriums geht HVO100 mit Treibhausgas-Emissionseinsparungen von rund 90 Prozent gegenüber fossilem Diesel einher. Zudem verbrenne der Designer-Kraftstoff sauberer und geruchsärmer. Laut Umweltbundesamt (UBA) ist vor allem bei älteren Fahrzeugen zu erwarten, dass sie - biogen betankt - weniger Luftschadstoffe ausstoßen, zu denen beispielsweise Stickoxide oder Kohlenmonoxid gehören. Aktuelle Autos mit moderner Abgasnachbehandlung würden durch paraffinischen Diesel hingegen "nicht oder kaum sauberer".

Aber gibt es nicht ethische Bedenken?

Weil als Ausgangsstoffe für HVO100 Abfallstoffe und nicht etwa Mais oder Getreide verwendet werden, geht man der sogenannten Tank-oder-Teller-Problematik aus dem Weg, mit der die Konkurrenz zwischen dem Anbau von Nahrungsmitteln und dem von Energiepflanzen umschrieben wird.

Fritteuse

Kommt umgewandelt in den Tank: Auch altes Frittenfett dient als Ausgangsstoff für HVO100. pixabay/Nicolas Manosterio

Warum braucht es HVO100 überhaupt?

Zwar sollen wir perspektivisch alle - oder zumindest überwiegend - elektrisch fahren. Doch so weit ist es noch lange nicht. Anfang 2024 hat in Deutschland der Anteil reiner Batterie-Fahrzeuge (BEV) am Gesamtbestand erst knapp drei Prozent betragen. Verbrenner sind also deutlich in der Überzahl. Und bedenkt man, dass das Durchschnittsalter eines in Deutschland gemeldeten Pkw aktuell bei etwa zehn Jahren liegt, so ist davon auszugehen, dass uns auch der Diesel noch lange erhalten bleibt. "Selbst bei weiter voranschreitender Elektrifizierung des Straßenverkehrs werden im Jahr 2030 voraussichtlich noch mehr als 40 Millionen Kraftfahrzeuge mit Verbrennungsmotor in Betrieb sein", prognostiziert der Wirtschaftsverband Fuels and Energy (en2x), rund 30 Prozent dieser Pkw und fast alle der betreffenden Lkw würden heute mit Diesel fahren. HVO100 könnte dazu beitragen, ältere Autos klimafreundlicher zu betreiben. Das ist auch das Argument, mit dem Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) seine E-Fuels-Debatte geführt hat. Der Haupt-Fokus liegt auf der Speditions- und Logistikbranche und damit dem Schwerlastverkehr, bei dem sich die Umstellung auf Elektroantrieb schwieriger und vermutlich auch langwieriger gestaltet als im Pkw-Bereich.

Aber reicht HVO100 für alle?

Eher nicht. Die Mengen an biogenen Rest- und Abfallstoffen seien "in jedem Fall begrenzt", erklärt das Umweltbundesamt (UBA), selbst altes Frittenfett falle nicht unbegrenzt an, zudem würden viele der Ausgangsstoffe "heute schon anderweitig sinnvoll genutzt". Hinzu kommt, dass es in Deutschland derzeit keine Raffinerie gibt, die HVO100-Diesel herstellt. Neste, ein finnisches Mineralölunternehmen und Kraftstoffhersteller, betreibt europäische Produktionsanlagen im niederländischen Rotterdam und im finnischen Porvoo. Laut Wirtschaftsverband en2x werden derzeit rund 7 Millionen Tonnen HVO pro Jahr produziert, bis 2025 werde das voraussichtlich auf über 30 Millionen Tonnen steigen. Das klingt nach viel, ist es aber nicht: Nach Zahlen des Statistikportals "Statista" hat allein der deutsche Inlands-Absatz von Diesel im Jahr 2023 rund 33 Millionen Tonnen betragen.

Darf mein Auto denn HVO100 tanken?

Grundsätzlich müssen keine Modifikationen am Motor vorgenommen werden. Der ADAC rät aber dennoch zu Vorsicht, denn es seien modellspezifische Freigaben der Hersteller erforderlich. Eine offizielle Freigabenliste - auch für Diesel B10 - findet sich auf der Internetseite der Deutschen Automobil-Treuhand DAT (www.dat.de/b10-xtl). Beim Hersteller oder Vertragshändler kann ebenfalls nachgefragt werden. Auch ein Blick in die Bedienungsanleitung und/oder den Tankdeckel schafft gegebenenfalls Klarheit. Ist dort ein "XTL"-Signet abgebildet, darf der neue Kraftstoff zugeführt werden.

Woran erkenne ich HVO100?

Ebenfalls an einer "XTL"-Plakette an der Zapfsäule beziehungsweise Zapfpistole. Auch der neue Diesel B10 ist entsprechend gekennzeichnet.

XTL-Diesel

XTL-Plakette: Daran ist zu erkennen, dass die Zapfsäule den neuen Öko-Diesel abgibt. Audi

Und wo gibt es den neuen Diesel?

Noch nicht an allzu vielen Tankstellen. Die Interessensgemeinschaft eFuelsNow hat auf ihrer Internetseite eine interaktive Karte mit Stationen veröffentlicht, an denen HVO100 bereits erhältlich ist (efuelsnow.de/tankstellen-karte). In Deutschland sind es demnach nur etwa 130. Einer weiteren Verbreitung könnte auch ein Kapazitätsproblem im Wege stehen, denn die Tankstellen müssen einerseits die gängigen Kraftstoffsorten auch weiterhin vorhalten, haben andererseits aber nur eine begrenzte Zahl von Tanks zur Verfügung. Diskutiert wird deshalb, den Bestandsschutz von Super E5 abzuschaffen. In anderen europäischen Ländern wie den Niederlanden sowie den skandinavischen und baltischen Staaten wird HVO100 schon länger verkauft, deshalb ist es dort auch weiter verbreitet als bei uns.

Was kostet HVO100?

Mehr als konventioneller Diesel. Zwar ist HVO100 von der CO2-Steuer befreit, was also 14 Cent pro Liter spart. Doch die Produktionskosten liegen höher. Der Bundesverband freier Tankstellen (BfT) geht daher davon aus, dass HVO100 etwa 15 bis 20 Cent pro Liter mehr kostet als klassisch fossiler Diesel. Die Preispolitik orientiert sich aber auch am Wettbewerb und hängt vom jeweiligen Unternehmen ab. Es gibt auch Tankstellen, die zumindest zum Marktstart einen deutlich niedrigeren Aufschlag verlangt haben.

Ulla Ellmer