Bundesliga

VfB Stuttgart: Wohlgemuths komplexe Aufgaben

VfB zwischen Euphorie und Erwartungsmanagement

Wohlgemuths komplexe Aufgaben

VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth muss im Erfolg gut abwägen.

VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth muss im Erfolg gut abwägen. IMAGO/Pressefoto Baumann

Schmerzlich erfahren musste das zuletzt beispielsweise der 1. FC Union Berlin, der Jahre des Erfolgs im Sommer 2023 mit der Qualifikation für die Königsklasse krönte, sich aber aktuell in der Liga im Abstiegskampf wiederfindet. Spektakuläre Transfers wie der von Leonardo Bonucci gingen nicht wirklich auf - man darf gespannt sein, wohin die Reise in Köpenick künftig geht.

Auf die Reise - im wörtlichen Sinne - geht es für den VfB definitiv in der nächsten Saison. Und mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit im Königsklassen-Express der UEFA, was mindestens 14,3 Millionen Euro plus X in die dem Vernehmen nach weiterhin nicht gerade gut gefüllten Vereinskassen spülen wird. Was aus den Schwaben aber keinesfalls einen Wettbewerber für andere Champions-League-Aspiranten auf dem Transfermarkt machen wird.

Vielmehr wird Sportdirektor Fabian Wohlgemuth weiterhin sehr genau überlegen müssen, wieviel er für welchen Profi investiert und da stellt sich in Bälde die ein oder andere Frage. Etwa bei den Leihgaben Deniz Undav (Brighton and Hove Albion) und Jamie Leweling (Union). Der Vorteil: Beide waren nun ein Jahr in Stuttgart. Man weiß also jeweils, was man aneinander hat (und was nicht).

Der VfB ist ein gebranntes Kind

Unabhängig von diesem Duo drohen ob der Qualifikation fürs internationale Geschäft höhere Gehaltsforderungen, egal ob nun bei Vertragsverlängerungen oder Verhandlungen mit potenziellen Neuzugängen. Es wird die Aufgabe von Wohlgemuth und Vorstandschef Alexander Wehrle sein, dies vernünftig zu moderieren. Denn bekanntlich entstehen im Erfolg die größten Fehler. Der VfB ist da ein gebranntes Kind, nicht zuletzt ob der Entwicklung nach dem sensationellen Meistertitel 2007. Da wurden nur die Namen und die Gehälter größer, die Leistungen aber kleiner.

Wesentlich präsenter dürfte die Erinnerung sein an die Saison 2018/19. Ein Jahr nach dem Daimler-Einschuss von 41,5 Millionen Euro und nach einer Bundesliga-Saison, die nach dem Wiederaufstieg beinahe nach Europa geführt hätte, schalteten Sportvorstand Michael Reschke und Aufsichtsratschef Wolfgang Dietrich auf Angriff. Der VfB investierte Aber-Millionen in Nicolas Gonzalez, Pablo Maffeo, Gonzalo Castro, Borna Sosa und später Ozan Kabak. Zuvor waren mit Mario Gomez und Holger Badstuber bereits Alt-Profis mit üppigen Gehältern verpflichtet worden, die nach dem Abstieg 2019 im Unterhaus kaum zu stemmen waren. Das Argument, Kabak und Gonzalez hätten ja auch Millionen eingebracht, zieht schwerlich. Der Kader passte nicht zusammen, Stuttgart stürzte ins Unterhaus ab - üblicherweise kostet so ein Abstieg um die 50 Millionen Euro an Mediengeld und Sponsoring-Einnahmen, da wirken die späteren Transfereinnahmen eher wie der verzweifelte Versuch, mit Wassereimern einen Flächenbrand zu löschen.

Exorbitante Beratergebühren

Ganz offenkundig versagte damals auch das Kontrollgremium, das lässt sich gut nachvollziehen an den seit 2019 veröffentlichten DFL-Kennzahlen. Denn den Personalaufwand, aus dem der größte Anteil nun einmal im Profikader steckt, hatten die Verantwortlichen im Kalenderjahr 2018 im vollen Risiko auf 83,7 Millionen Euro aufgebläht. Bundesliga-Rang sieben, er lag höher als bei Borussia Mönchengladbach, einem damaligen Dauergast im europäischen Wettbewerb. Ganz zu schweigen von exorbitanten Beratergebühren in Höhe von 10,8 Mio. Euro, auch hier Platz sieben in der Bundesliga. Wohin dieser Irrsinn führte, ist bekannt.

Zum Vergleich: Beim Personalaufwand (90,5 Mio.) lag der VfB bei den letzten Bezugszahlen 2022 auf Rang zehn im deutschen Fußball, bei den Beraterkosten (8,1 Mio.) auf Platz neun. Wohlgemuth, zu dessen geplanter Beförderung zum Sportvorstand Details mit dem Präsidialausschuss zu klären sind, tut also gut daran, intern wie extern auf die Bremse zu treten. Das ist keineswegs als Abwürgen einer Euphorie zu verstehen, sondern vielmehr als gesundes Erwartungsmanagement. Vielleicht neben der Mission, einen schlagkräftigen Kader für drei Hochzeiten zusammenzustellen, derzeit die komplexeste Aufgabe für den 45-Jährigen.

Benni Hofmann

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